Bei einer Lese-Rechtschreibstörung (LRS) handelt es sich um eine Entwicklungsstörung des Lesens und Schreibens, die nicht auf mangelnde Unterrichtung, nicht auf fehlende Gelegenheit zu Lernen und nicht auf mangelnde Intelligenz zurückzuführen ist.
Häufig werden statt „LRS“ auch die Begriffe „Legasthenie“ oder Lese-Rechtschreibschwäche verwendet. Die Begriffe sind untereinander nicht klar abzugrenzen. Hinzu kommt, dass auch kein Begriff für sich mit einer stets einheitlichen Bedeutung verwendet wird.
Aus wissenschaftlicher Sicht spricht man von sogenannten „Teilleistungsstörungen“, die sich erschwerend auf den Erwerb des Lesens und/oder des Schreibens auswirken.
Wird eine LRS im Kindesalter nicht rechtzeitig festgestellt und gezielt behandelt, wirkt sie sich erschwerend auf die Bildungsbiographie aus und führt in vielen Fällen zu schulischen, beruflichen und privaten Nachteilen – nicht selten auch psychischen Belastungsfolgen.
Ursachen
Die Ursachen einer LRS sind vielfältig, aber bis heute nicht abschließend geklärt.
Genetische und neurobiologische Ursachen konnten nachgewiesen werden.
Die Wahrscheinlichkeit für eine LRS steigt, wenn der Vater oder die Mutter ebenfalls von einer LRS betroffen sind. Dies allein verursacht jedoch nicht „automatisch“ eine LRS.
Neurobiologische Forschungsergebnisse erbrachten Nachweise dafür, dass sich die Verarbeitungsmuster beim Lesen und Schreiben im Gehirn von Menschen mit LRS von denen nicht Betroffener unterscheiden. Diese veränderten neurobiologischen Verarbeitungsprozesse beeinflussen kognitive Funktionen, die wiederum mit dem Lese- und/ oder Schreibprozess in Verbindung stehen.
Dazu zählen:
übergeordnete kognitive Prozesse/Teilleistungen: Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit, auditive und visuelle Wahrnehmung/Verarbei-tung
Vorläuferfertigkeiten für den Lese- und Schreiberwerb: phonologische Bewusstheit, morphologische Bewusstheit, Buchstabenkenntnis, Fähigkeit zum schnellen Benennen (rapid naming) und der Wortschatz.
Aufgrund der Bedeutung der Vorläuferfähigkeiten für den Lese- und Schreiberwerb wird angenommen, dass Sprachentwicklungs-auffälligkeiten und Lese-Rechtschreib-schwierigkeiten auf gemeinsame Ursachen zurückzuführen sind.
Häufigkeit
Die drei möglichen Formen der LRS (Lesestörung, Rechtschreibstörung, kombinierte Lese-Rechtschreibstörung) treten jeweils mit einer Häufigkeit von ca. 4-5 % bei Kindern und Jugendlichen auf (Schulte-Körne, 2017).
„Die Lese- und/oder Rechtschreibstörung […] ist eine der häufigen schulischen Entwicklungsstörungen […]“
(Schulte-Körne, 2017, 476).
Es gibt Hinweise dafür, dass Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen.
Symptome
Typische Symptome der Lesestörung:
Typische Symptome der Rechtschreibstörung:
Wichtige Vorläuferfunktionen entwickeln sich bereits im Vorschulalter. Voraussetzung für die Entwicklung des Denkens, Lernens und Sprechens ist die Wahrnehmung, d.h. die Aufnahme von Reizen und die Verarbeitung im Gehirn. LRS-Kinder zeigen überdurchschnittlich häufig Wahrnehmungsprobleme sowie Sprachentwicklungs-auffälligkeiten. Unaufmerksamkeit, Clownerie, motorische Unruhe, Frustration, mangelndes Selbstvertrauen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Übelkeit sind häufige Begleiterscheinungen.
Zur Diagnose einer LRS im Sinne der ICD-10 ist eine umfassende medizinische Untersuchung notwendig. Hierbei müssen alle Ursachen, die ebenfalls zu Erschwernissen beim Lese-Rechtschreiberwerb führen können (z. B. Seh-, Hörstörungen, kindliche Depressionen, neurologische Erkrankungen) als Ursache für die LRS ausgeschlossen werden.
Danach erfolgen in meiner Praxis weitere Tests zur Feststellung einer eventuell vorliegenden Legasthenie/ Lese-Rechtschreib-Schwäche:
-AFS-Test
- Rechtschreibtest
-Audiva Hörtest
Auch bei einer vorliegenden fachärztlichen Diagnose nach ICD-10 werden die Kosten für eine außerschulische Maßnahme nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Die Übernahme durch eine private Krankenversicherung ist in den Versicherungs-
bedingungen individuell geregelt.
Voraussetzung für die Übernahme der Kosten für ein LRS-Training durch das Jugendamt ist, dass das Kind eine „seelische Behinderung“ hat oder diese zu drohen scheint. Das heißt, dass die „geistige Fähigkeit“ oder „seelische Gesundheit“ länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX, Neufassung des § 35a SGB VIII).
Ansonsten muss ein Training privat bezahlt werden.
Das Training bei einer diagnostizierten Lese-Rechtschreibstörung ist Aufgabe von Experten, mit spezieller Zusatzqualifikation. Da Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten meist Auswirkungen auf das gesamte „Lernsystem“ haben, ist es wichtig, dass beide Eltern und die schulischen Bezugspersonen in das Training einbezogen werden. Auch weil Kinder mit einer LRS häufig seelische Auffälligkeiten entwickeln, z. B. Unsicherheiten oder Ängste, ist es wichtig, dass Eltern, Schule und Kind (unterstützt durch das Training) gemeinsam daran arbeiten, die Persönlichkeit und das Selbstkonzept des Kindes zu stabilisieren, etwa indem sie Talente und Fähigkeiten des Kindes entdecken und stärken.
Informationen über eine eventuelle Kostenübernahme
1) In Einzelfällen ist es möglich, eine Kostenübernahme über die sogenannte Eingliederungshilfe zu bekommen.
Legasthenie- oder
Dyskalkulietraining fallen unter die Eingliederungshilfe.
Nach § 35a SGBVIII
sind die Jugendämter für Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche zuständig.
Wenn ein Kind eine diagnostizierte Legasthenie oder Dyskalkulie hat und seine seelische Gesundheit dadurch bedroht ist, können die Kosten für eine Lerntherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Jugendamt übernommen werden.
Weitere Informationen:
2) Aufwendungen für eine außerschulische Legasthenie-Therapie
können in vielen Fällen beim Finanzamt als außergewöhnliche Belastung
gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden.
Weitere Informationen:
3) Für Familien, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Wohngeld,
Kinderzuschlag oder Sozialhilfe beziehen, besteht z.B. bei einer
Versetzungsgefährdung die Möglichkeit, ein Bildungspaket für Lernförderung zu beantragen.
Dazu mehr Informationen hier:
https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Grundsicherung-Buergergeld/Bildungspaket/bildungspaket.html
4) Legasthenie-Erlass Baden-Württemberg:
Bitte wenden Sie sich mit Fragen zur Auslegung der Erlasse an die
jeweilige Schulbehörde.
https://www.legasthenie-lvl-bw.de/diagnostik/ausserschulische-foerderung/
Literatur und Material
Bundesverband Legasthenie und Dyskakulie e. V. (Hrsg) (2018). Legasthenie. Ratgeber zum Thema Legasthenie – Erkennen und Verstehen.
Costard, S. (2011). Störungen der Schriftsprache. Modellgeleitete Diagnostik und Therapie. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart: Thieme.
Galuschka, K. & Schulte-Körne, G. (2016). Diagnostik und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung. Deutsches Ärzteblatt, 113 (16), 279-286.
Grotlüschen, A. & Buddeberg, K (Hrsg.) (2020). LEO 2018. Leben mit geringer Literalität. Bielefeld: wbv.
Schnitzler, C. D. (2008). Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb. Stuttgart: Thieme.
Schulte-Körne, G. (2017). Lese- und/oder Rechtschreibstörung. Monatsschrift Kinderheilkunde, 165, 476–481.
Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der BRD: Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003 i. d. F. vom 15.11.2007)
SGB (Sozialgesetzbuch)
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